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Vorwort von Christiane Gibiec und Birgitt Weiss in dem Buch „Geschichte aus 30 Jahre Hayat“

Eine einzige Liebeserklärung, so könnte man die Texte in diesem Buch zusammenfassen, die von der Hayat-Gemeinde zum 25-jährigen Bestehen ihrer legendären deutsch-kurdischen Kneipe in der Schreinerstraße geschrieben wurden. Eine Liebeserklärung an einen Ort, der Wohnzimmer, Speisekammer, Treffpunkt des halben Ölbergs ist, an dem gegessen, geredet, gekickert, geliebt, gelacht, gestritten und abgestürzt wird, Billardkugeln rollen, Sportschweiß abdampft, Liebesgeschichten anfangen und enden, Krimis spielen, Filme gedreht, Haare grau, Kinder erwachsen, Sängerkehlen befeuchtet werden, wo man Referate vorbereitet, Herzen ausschüttet und manchmal mitten in der Nacht die Toiletten renoviert. Eine Kneipe, die so heißt, wie sie ist: Leben.

Ein Erfolgsgeheimnis des Hayat ist, dass es ein Vierteljahrhundert sein Gesicht nicht verändert und sich keinem Mainstream untergeordnet hat. Geblieben sind die Tische und Stühle, die Speisekarte mit den Lieblingsgerichten (…), das gemütliche Licht. Und geblieben ist Hayat-Gründer Mehmet Yildiz.  »Yildiz heißt Stern«, wie Katrin Ann Kunze in diesem Buch schreibt, »ein freundlich leuchtender Stern, der den Weg zu kurdischer Gastlichkeit und weltoffener Menschlichkeit weist.« 

Mehmet – auch Memo genannt oder »liebe Ölbergsardine«, seltener »der Chef« – hat mit dem Hayat ohne Politikergerede, ohne Integrationsprogramme oder öffentliche Zuschüsse ein Multikulti-Projekt geschaffen, zu dem nicht nur die seligsten, witzigsten, unvergesslichsten Rakı-Nächte und die herrlich melancholische Musik von Maria Farantouri und Zülfü Livanelli gehören, sondern auch die Wärme und Schönheit orientalischer Augen, die Lebenslust, Erotik und Menschenliebe des Südens, das nicht genug zu preisende Essen, der spezielle Charme des türkisch-kurdischen Machismo. 

Lieber Mehmet, wir danken dir für diesen wunderbaren Ort, der uns, unseren Kindern und Enkeln noch lange erhalten bleiben möge. Du bist das Herz des Hayat, pass auf das deine auf!

Nachtrag:

Dieses Vorwort fasst so viel zusammen, was wir für Mehmet empfanden und im Hayat gelebt haben. Mehmet wird uns fehlen. Wenn ich mich jetzt im Hayat/Jiyan wieder an den Tisch setze, suchen meine Augen nach ihm, auf seinem Hayat-Sessel sitzend, darauf wartend, dass er aufsteht, vorbeischlendert, nach meinem Wohlergehen fragt oder einen Ouzo vorbeibringt. (Ouzo statt Rakı – sein kleiner Widerstand gegen den türkischen Terror gegen Kurdistan.) Und ich fühlte mich besonders und sehr persönlich angesprochen – wie jede:r andere auch. Das war seine hohe Kunst der Gastronomie und sie kam von Herzen. Wenn ich mich jetzt wieder im Hayat an den Tisch setze, sehe ich wie sein Sohn Yasin das Bier zapft, die Bestellungen aufnimmt, die Gäste anspricht. Das Hayat/Jiyan hat wieder geöffnet. Die Familie erfüllt damit den Wunsch von Mehmet. Sie hat es schon während seiner Krankheit weitgehend allein geführt. Jede:r für sich ein wunderbarer Mensch. Sie sind nun die Herzen des Hayat/Jiyan, Mehmet die Seele.

Uwe Peter
für die Unternehmer/innen für die Nordstadt e.V.

siehe auch: Spendenaufruf: Helft mit beim Neustart vom Hayat! – Nord-Stadt.de