Vernetzt

Ich habe eine Einladung bekommen.
Schön, nicht?
Andere freuen sich über Einladungen. Zu einer Samstagsgeburtstagsparty.
Zu einer Einweihungsparty. Schlimmer noch zu einer
Umzugsparty.
Oder noch besser: Abstillparty. Babypinkelparty.
Sowas habe ich tatsächlich schon bekommen, denn in letzter Zeit
mutieren viele meiner weiblichen Bekannten um mich herum zu
wahnsinnigen Muttertieren. „Och wie süüüüüüüß!“ rufen sie aus,
während sich der Kleine mit Brei bekleckert, wo andere – in diesem Fall
ich – also, wo ich anfange, hektisch in meiner Tasche nach dem
Teebaumöl zu kramen, um keinen Ekelherpes zu bekommen.
Auch schön: Nachts oder gerne auch in den frühen Morgenstunden – die
Stunden, die so schön sind, weil ich meine Ruhe habe, mich nochmal
umdrehe und freue, dass ich noch etwas liegen bleiben kann, weil es ja
erst halb sechs und nicht schon sechs ist – plötzlich das Telefon klingelt.
Und wer ist dran? „Brrrrababarrrraaaaaabraa. … Oh sorry, der Kleine hat
beim Stillen mit meinem Telefon gespielt.“ Ach nee, sind sie nicht süß
die Kleinen?

Doch war die besagte Einladung keine zu einer solchen wie-schön-dassdu-
geboren-bist-Party, sondern eine Einladung auf Xing. Nicht zu einem
Event, nein, es war eine Einladung zum Freunde sein.
Wie schön, jemand will mit mir befreundet sein.
Wird man jetzt schon zum Befreundet sein eingeladen? So wie früher.
Willst du mit mir gehen? Ja, nein, vielleicht.
Soll ich mal im Duden nachschauen, wie das Wort „Freundschaft“
definiert ist? Bestimmt nicht als „lockerer Kontakt über das Internet
ohne sich zu treffen und zu kennen“. Dann kann ich den Freund ja gar
nicht mehr ansehen und seine neu hinzugekommenen Falten zählen.

Der gute Mann, der mir diese Einladung schickte, kann ja nichts dafür.
Kann der wissen, dass es mir regelrecht Stress bereitet, einen weiteren
Freund auf Xing zu haben? Immerhin sind es jetzt schon 12!
Der meinte es doch nur gut mit seinem Kontakteknüpfen,
Interessantedingeaustauschen, Pläne schmieden, Gestalten,
Organisieren… Weil es ja so ungemein praktisch und vor allem
zeitsparend in dieser hektischen Zeit heutzutage ist, von zu Hause aus
über alles informiert zu sein. Abends muss man sich dann nur noch an
den Tresen setzen und dummes Zeug quatschen, weil man ja schon alles
am heimischen Schreibtisch geklärt hat über seine ungemein wichtige
Internetverbundenheit.

Doch stelle ich fest, dass ich wohl kein Freund von Internet-Netzwerken
bin. Denn darum muss ich mich kümmern, immer up to date bleiben und
vor allem dieses selbst ausgesuchte Lästige auch noch pflegen.
Aber habe ich nicht schon jeden Morgen genug damit zu schaffen, mich
selbst zu pflegen mit diesen tausend Cremes, die nun mal so nach und
nach dazu kommen?! Pflegen muss ich – also nicht ich, aber die
hinzugekommenen Mütter – auch den süßen Kleinen, weil sich bei dem
mal wieder zu viel in der Windel angesammelt und er nun einen wunden
Po hat. Pflegen muss ich meine Pflanzen. Oder eben meine Haut.

Ich finde, es reicht doch schon, dass ich ein Smartphone – sogar ein
iPhone! – habe, regelmäßig SMS verschicke – wobei das ja total
altmodisch ist, weil man sich heutzutage Nachrichten über what´s app
schickt – E-Mails schreibe und fast täglich einmal kurz die Zeitung online
lese. Weil ich es aber sehr mag – immer noch – mir die Samstagszeitung
als Papierausdruck zu kaufen, bin ich nun nicht mehr up to date.

Da gehe ich doch lieber zur Abstillparty und trinke einen Sekt darauf,
dass der süße Kleine nun eine Gelegenheit weniger hat, meine Nummer
in den frühesten Morgenstunden zu wählen.

Ach herrje! Fast hätte ich vergessen, dass ich gleich noch schnell zu
meiner Lieblings-Drogeriekette gehen und mir diese eine neue Creme
kaufen muss, von der ich neulich die Werbung in der Zeitung gesehen
habe.